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Unverdient: Geldlogik

absurde Geldlogik!

Geld ist zweifellos eines der beliebtesten Alltagsthemen. Und so verwundert es nicht, dass zum Thema "Geld" unendlich viel geredet, geschrieben, vermutet, philosophiert wird. Wie bei anderen Alltäglichkeiten fühlt sich jeder befähigt, zum Thema "Geld" etwas beitragen zu können. (Die Suchmaschine google zB. findet zum Thema Geld 162 Millionen Verweise – weit mehr als zB. zu „Liebe“, „Leben“, „Glück“ oder „Gott“).

Dabei fällt aber auf, dass Geld fast immer aus der Perspektive des einzelnen Menschen , des mehr oder weniger zufriedenen isolierten Geldbesitzers betrachtet wird. Die übliche Frage lautet: was mache ich mit meinem Geld, was macht Geld aus mir, welche Möglichkeiten, Gefühle Lebenserfahrungen vermitteln mir Geld, was passiert, wenn es mir fehlt, wenn ich plötzlich reich werde usw. Fast immer also geht der Standpunkt dessen, der über Geld redet, vom einzelnen Menschen ("Wirtschaftssubjekt") aus:

(dieser Spruch scheint zwar eine allgemeine gesellschaftliche Aussage zu formulieren, meint aber eher: wer Geld hat, hat Macht, kann mitregieren, zielt also darauf ab, welche Möglichkeiten es mir in die Hand gibt, wenn ich Geld besitze, und wie machtlos ich bin, wenn ich nichts oder wenig habe)

Diese subjektivistische Rede von Geld schien mir immer nur Ausdruck eines bornierten Denkens, einer beschränkten Sichtweise, der ich die gesellschaftliche Sicht nur entgegenzuhalten brauchte: ich bemühte mich also darum, zu betonen, dass Geld eine Gesellschaftsstruktur sei, eine Logik, nach der sich Menschen gesellschaftlich richten, von der sie also ihr Denken, Handeln und Fühlen bestimmen lassen,und die sie umgekehrt auch immer wieder herstellen und weiterentwickeln, indem sie eben dieses Denken , Handeln und Fühlen -jeder für sich- anwenden.

erste (relative) Kritik

Diese (bornierte) Sichtweise schien mir vor allem einen entscheidenden Fehler zu haben: wer so subjektivistisch wie üblich von Geld redet, beginnt immer mit der Voraussetzung eines mehr oder weniger zufriedenstellenden Geld-Besitzes, geht also immer davon aus, dass eine bestimmte Summe Geldes für ihn zur Verfügung steht. Sie fragt aber nicht danach, woher dieses Geld kommt. Sie verdrängt damit vollständig die Seite der Beschaffung, in den meisten Fällen also das „Arbeitsleid“ (VWL), das Voraussetzung für den Besitz von Geld ist. Wie bei der Werbung, die auch nur eine Seite einer Ware herausstellt, nämlich all das (angeblich schöne), was mit dem Kauf dieser Ware verbunden ist und alle Nachteile, (Opportunitätskosten, Grenznutzen usw.), Schäden und Gefahren (selbstverständlich - das wissen wir ja) systematisch ausklammert. Die ganze Brutalität, die darin liegt, dass ich als Mensch, der als gesellschaftliches Wesen schon immer an der gesamtgesellschaftlichen komplexen Arbeitsteilung beteiligt ist, den Zugang zu diesem von mir mit geschaffenen Reichtum immer erst individuell verdienen muss, diese Brutalität wird dabei einfach unterdrückt und übersehen. So kann eine faire Betrachtung der Vor- und Nachteile der Geldlogik gar nicht erst stattfinden: die systematische Trennung zwischen der Geldbeschaffungsseite und der Ausgabenseite verhindert eine angemessene Betrachtung des Geldproblems. (Das erinnert an die Unfähigkeit der allermeisten Autobesitzer, die wahren Kosten des Individualverkehrs wirklich zu erfassen: fast alle rechnen spontan die laufenden Kosten herunter und kommen so zu einer oft krass geschönten Beurteilung).

Diese Verzerrung des Themas "Geld" ist ja bereits gravierend und symptomatisch genug und verdient bereits jede Menge Energie, um sie im Bewusstsein zu korrigieren.

Aber das Kernproblem beim Geld ist damit noch nicht ausreichend beschrieben.

zweite (grundsätzliche) Kritik

zwei Beispiele:

(1)...aus der Fernsehsendung: D. sucht das super-model (oder so ähnlich) mit Heidi Klum. In der Jury saß ein angeblich bekannter catwalk-coach. Der übte mit den angehenden Models einen Auftritt in einem Bergwerk und war nach der Vorstellung total gerührt, wie gut diese Vorstellung gelungen war, weil er es geschafft hatte, alle models zu einem Team zusammen zu bringen. Nach der gelungenen Vorstellung weinte er vor laufender Kamera, weil er so begeistert von den „Mädchen“ war, es sei so schön gewesen. Ich erkläre mir seine Tränen so: Es ging ja leider gar nicht um eine gelungene Teamarbeit, eine gemeinsame Aufführung, sondern um ein brutales Ausleseverfahren. Die Jury sollte gar keine schöne Gemeinschaftsleistung organisieren, sondern selektieren, Fallen stellen, bei denen etwa die Hälfte der Bewerberinnen rausfliegen mussten. Darüber- so glaube ich, weinte der coach in Wirklichkeit: über die menschlich beleidigende Täuschung, die er selber inszenieren mußte.

(2) Genau das aber macht auch die Notenlogik in der Schule, die sich gut zur Veranschaulichung des Problems heranziehen lässt. Sie zerstört, frustriert und beleidigt ständig das tief verwurzelte menschliche Bedürfnis der Schülerinnen, etwas Konstruktives für die Gemeinschaft zu tun. Alle Beiträge von Schülern zum gesellschaftlichen Projekt des Lernens, Gestaltens, Forschens – also „mit zu arbeiten“, werden durch die Notenlogik systematisch pervertiert zu genau dem Gegenteil, nämlich Einzelleistungen, die gerade von den anderen wegführen, sie zu Konkurrenten machen, der eigenen Profilierung gegen die anderen dienen.

Die Schule behauptet gerade wieder das Gegenteil, nämlich, dass die jungen Menschen durch die Schule in die Gesellschaft integriert würden, sie also zu sozialen Wesen erzogen würden, die dank dieser "Sozialisation" befähigt würden, in der Gesellschaft eine konstruktive „Rolle spielen“ zu können. Die Behauptung wäre also, dass erst die Schule aus egoistischen, chaotischen Menschen „soziale Wesen“, gesellschaftlich wertvolle Individuuen mache.

Sie tut das aber mithilfe einer Logik, die gerade NICHT sozial, sondern typisch unsozial ist.

Wenn das Ergebnis dieses Prozesses der gesellschaftsadäquate Mensch sein soll, sagt das entsprechend deutliches über die Gesellschaft aus: sie ist als soziale Struktur wesensmäßig unsozial. Das Unsoziale kann aber die Tatsache der Gesellschaftlichkeit selber nicht sein, sondern nur die Steuerungslogik, die heute Gesellschaft herstellt, seit 1620 also die Geldlogik. Sie ist es, die diese Perversität vollbringt: nämliche eine Gesellschaftsstruktur zu schaffen, die selber gar nicht gesellschaftlich ist und damit die Menschen in ständige Widersprüche hineinzwingt.

Es ist der Zwang, die Frustration, dass ich als gesellschaftlich orientierter Mensch eigentlich einen positiven Beitrag für die andern leisten möchte, dass also meine Leistungsmotivation auf einen guten gesellschaftlich nützlichen Beitrag gerichtet ist, aber durch die herrschenden Verhältnisse dazu gezwungen, verführt, sozialisiert werde, diesen Impuls in eine egoistische, konkurrenzhafte Leistung zur Abgrenzung von den anderen umzumünzen (!).

Diese- immer wieder als Erfolgsgeheimnis des Kapitalismus gefeierte- Logik, nämlich dass Menschen scheinbar bzw. faktisch egoistische Ziele verfolgen, aber dabei gleichzeitig das Gesamtwohl am meisten fördern (Adam Smith), dieses Erfolgsgeheimnis entwürdigt gerade die Menschen, erniedrigt sie, unterschätzt, unterfordert sie, weil sie zur Sozialität nicht sekundär motiviert werden müssen.

Es ist so wie die Entdeckung von Herrn Toyota: Ford (Fließband) und Taylor (Zerlegung der Arbeit in winzige Handgriffe) versuchten den (betriebswirtschaftlich unvollkommenen) Menschen zu einer fehlerlosen Maschine zu machen, um fehlerlose Produkte zu erzeugen. Toyota dagegen erkannte, dass genau diese Degradierung eine Lähmung der Motivation bewirkt, eine Bremse und Begrenzung menschlicher Leistungsfähigkeit. Er erkannte, dass der Mensch zu mehr fähig ist als ein perfekter Automat zu werden, dass seine Stärke gerade darüber liegt, und sorgte dafür, dass in seinem Betrieb die Menschen an ihren sozialen und emotionalen Fähigkeiten gepackt und diese gepflegt wurden (was bie ihm natürlich -leider- der kapitalistischen Geld- und Profit- Logik unterworfen blieb). Dieses (gegenüber dem Fordismus und Taylorismus) neue Paradigma war so erfolgreich, dass es bald von allen Autofirmen mehr oder weniger konsequent übernommen wurde.

Noch einmal anders ausgedrückt: der Fehler der gesellschaftlichen StrukturGeldlogik ist , dass sie einen egoistischen Mechanismus verwendet, um Menschen gesellschaftlich zu integrieren, Gesellschaft zu konstituieren. Ein gesellschaftliches Ausschließungs- Prinzip (Zugang zum gesellschaftlichen Reichtum nur über Geld- unverdient geht nicht!) soll das gesellschaftliche Konstituens sein.

Wir werden also erst einmal systematisch zu Egoisten gemacht, um diese Art von Gesellschaft reproduzieren zu können.

Die Geldlogik ist eine Beleidigung der Menschheit, weil sie von der praktisch aufgezwungenen Voraussetzung und dem daraus wieder abgeleiteten Menschenbild ausgeht, dass der Mensch eigentlich isoliert, egoistisch, gegen die anderen ist und nur in einem mühsamen Dressurakt („Sozialisation“) zu „sozialen“ Verhaltensweisen, die eben gerade keine sozialen Verhaltensweisen sind, gebracht werden müsse. Die Geldlogik ist also ein gigantisches double-bind -Umerziehungsprogramm, in dem das für die Menschheit grundlegende soziale Bedürfnis frustriert wird, indem ihr prinzipielle Unsozialität unterstellt und behauptet wird, diese Sozialität könne nur sekundär – also nachträglich- durch einen Trick, durch eine für isolierte Egoisten gemachte übergeordnete Logik erzwungen bzw. aufgesetzt werden.

und noch weiter:

Dieser pädagogische Umweg, Menschen über eine egoistische, ungesellschaftliche, antigesellschaftliche Logik zur „Sozialität“ bringen zu wollen ist nicht NUR ein erzieherisches Programm, eine Durchsetzungsmethode. Es ist auch der inhaltliche Kern der Logik. Sie funktioniert genau so, dass es immer um etwas anderes geht als es scheint. Und das ist für uns so normal (geworden), dass es uns kaum noch auffällt. Und ein wichtiger Schritt zur Überwindung dieser Logik wäre, sich diese Absurditäten in aller Ruhe anzuschauen.

Nur ein Beispiel:

die Werbung schenkt uns schöne Bilder, Assoziationen, Geschichten, witzige Pointen, usw. Will sie uns tatsächlich etwas schönes GEBEN, uns bereichern? Nein im Gegenteil, sie will uns so viel wie möglich nehmen (unser Geld- und nicht nur durch den Kauf der beworbenen Waren, sondern sämtliche Kosten für diese Werbung selber müssen wir Konsumenten zahlen)

Oder ein Zitat aus Adam Smith, Wohlstand der Nationen über andere Menschen („Wirtschaftssubjekte“): „...wir wenden uns (..) an ihr Selbstinteresse und sprechen zu ihnen nie von unseren Bedürfnissen, sondern von ihren Vorteilen...“

Oder wieder die viel anschaulichere Notenlogik in der Schule: Die Schüler fragen nicht, worum geht es? Was ist das Thema?, sondern, was bekomme ich dafür? wie stehe ich? wie kann ich durch möglichst wenig Arbeit möglichst viel (Punkte) erreichen? Was will der Lehrer hören (damit ich ein gute Note bekomme) usw. Oder die Frage: Kann ich das schaffen? meint nicht irgendeinen Inhalt, sondern: auf eine „3“ kommen.- Alles völlig selbstverständlich... aha?

Diese Logik hat also die Struktur des permanenten Hintergedankens: Mir geht es immer um etwas anderes. Trage ich eine Ware zu Markte, dann kreist mein Denken nicht um's geben, also um mein konkretes Produkt, sondern um's nehmen- wieviel kann ich dafür NEHMEN, was bekomme ich dafür? Für diesen Augenblick, für den Verkauf, habe ich es ja nur hergestellt.

Immer diese Hintergedanken!

...Und die Hintergedanken bei den Hintergedanken: „Ich würde mich nicht für eine Note anstrengen- ich tu's nur für meine Mutter“, sagt mir ein Schüler. Und die sagt: „mir wäre die Note ja nicht so wichtig, aber ich mach den Druck nur, damit der zukünftige Arbeitgeber zufrieden ist““. Und der sagt: „ich muss das alles nur tun, damit ich die Kunden halten kann“ ... usw.usw... eine spiralförmige Struktur.

Könnte man das ganze nicht auch so ausdrücken ? Die Geldlogik ist eine Gesellschaftsstruktur, bei der jeder jeden systematisch unter Druck setzt... und bei der jedes einzelne Gesellschaftsmitglied seine Existenzberechtigung erst verdienen muß.

Der von Marx kritisierte Zustand der "Herrschaft von Menschen über Menschen" wird damit ganz neu definiert: die allgemeine Zwangs- Struktur der Gesellschaft besteht nicht in einer personalen oder Klassen - Herrschaft, sondern in der allgemeinen Geltung des Äquivalenzprinzips beim Tauschen (also die Geldlogik). Es ist das Prinzip der unerbittlichen Gegenleistung, der alle unterworfen sind. (Der "Terror der Ökonomie" -Vivien Forester- besteht dann gerade nicht in extremen Beispielen, Auswüchsen, dem Missbrauch ökonomischer Macht, sondern im Gebrauch, der allgemeinen, alltäglichen, selbstverständlichen (quasi natürlichen) allgemeinen Anwendung der Geldlogik (ihrer Geltung -" Geld").

Dabei geht es - und das ist ein weit verbreitetes Missverständnis - nicht um das Geld selber, schon gar nicht um die Scheine und Münzen, sondern eine bestimmte Haltung, Einstellung, Praxis, die erforderlich ist, wenn in einer Gesellschaft allgemein "Geldlogik herrscht". Da es für mich als Einzelwesen beim Geld als eine rein quantitative egoistische Logik immer nur um mehr oder weniger, haben oder nicht haben geht, befinde ich mich im Zustand ständiger Berechnung, um nicht zu kurz zu kommen, nicht "übers Ohr gehauen" zu werden. Ich muss ständig clever sein, mich behaupten, mich vermarkten, pokern und täuschen können. Ich stehe den anderen (der Gesellschaft) prinzipiell einsam und verlassen gegenüber, muss stets vom "ich" (+ meiner Familie) statt vom "wir" aus denken. Geld stellt Mauern auf, braucht (Geschäfts-) Geheimnisse und setzt Grenzen.

Diese Logik macht die anderen zu Konkurrenten , schafft Sieger und Verlierer. Über Geld haben andere Anspruch auf meine Leistungen, und ich umgekehrt auf die der anderen. Die einzige Garantie und Sicherheit dabei ist die formale Gerechtigkeit des Äquivalenzprinzips, nicht etwa meine Würde und spezifische Eigenart als Mensch oder ein echtes Interesse anderer Menschen (der Gesellschaft) an mir, so wie ich bin.

Das Äquivalenzprinzip ist gesellschaftlich nicht mehr als eine Notlösung, weil es die positiven gesellschaftlichen Möglichkeiten des Menschen, z.B. Vertrauen, Liebe, abgeben, beitragen, dazu gehören wollen usw. enttäuscht und stattdessen nur die formale "Gerechtigkeit" der Geldlogik bietet: die der Gleichheit von Leistung und Gegenleistung. Es läßt die beglückende und überraschende Erfahrung nicht zu, dass es mich reicher machen kann, wenn ich mit anderen teile, sie einbeziehe in meine Möglichkeiten usw. (Media- Markt: „Ich bin doch nicht blöd!“)

aber...

Es ließe sich einwenden, dass im vertrauten engen Kreise, in der (Klein-) Familie und unter (guten) Freunden eine andere Logik gelte. Eben! Das ist die Privatsphäre, das erweiterte Ich, worauf unsere Sehnsucht gerichtet ist. Dort, wo wir Erholung, Unterstützung, liebevolle Anerkennung erwarten, die Ausnahme- Situation, das Sanatorium, wo wir auftanken und unsere Wunden lecken können- und dann so tief enttäuscht sind, wenn unsere hohen Erwartungen nicht erfüllt werden, wenn die bestimmende Logik der Gesellschaft auch hier hineinregiert und die Atmosphäre vergiftet. Wenn Konkurrenz und Berechnung auch hier nicht einfach fehlen. Vielleicht mißlingen viele Beziehungen gerade deswegen, weil sie mit entsprechenden Erwartungen völlig überfordert sind.

Der zweite Einwand könnte die Frage sein, warum trotz der genannten strukturellen Probleme Geld so beliebt und Kritik an der Geldlogik so unbeliebt ist.

Deswegen:

weil 1. die gesellschaftlichen Zusamenhänge durch die Privatlogik Geld gerade verschleiert, ja geradezu unsichtbar gemacht sind

und 2. Geld die Illusion von Autonomie nahelegt: Geldvermögen verschafft jedem einzelnen das Gefühl von Unabhängigkeit. Es wirkt so, als befinde sich der Reichtum im Geld selber und Verfügung über Geld sei unmittelbar freie individuelle Verfügung über konkreten Reichtum- wie immer der entstanden sein mag... In Wirklichkeit leben wir immer, mit und ohne Geld von der konkreten Arbeit der anderen - sind also immer gesellschaftlich vollständig abhängig. Abhängigkeiten und Bedürfnisse werden aber von der Geldlogik verdängt und umgedeutet (zB. in „Markt“,„Handel“, „Kaufkraft“, „Bedarf“ usw.). Sich der grundsätzlichen Abhängigkeit der Menschen voneinander bewußt zu werden, ist schon ein wichtiger Schritt zur Kritik der Geldlogik.

Die Geldlogik läßt sich nicht einfach „abschaffen“- jedenfalls würde das nichts helfen, wenn die Voraussetzungen dafür nicht abzuschaffen sind. Sie ist ein notwendiges Übel, solange gesellschaftlich

Zu 1: Zustand des allgemeinen Tauschens (Äquivalententausch) heißt: jedes Gesellschaftsmitglied ist für sich ("auf eigene Rechnung ") unterwegs und aus seinem elementaren Lebensinteresse heraus ständig damit beschäftigt, an die Arbeit (und "Natur"- Christoph Spehr) anderer zu kommen. Sein Blick geht also ständig auf all das, was er (noch) nicht hat, was ihm (noch) nicht zur Verfügung steht. Da er es sich nicht mit Gewalt verschaffen kann (Da dann auch sein eigenes Leben zur Hölle würde, weil alle anderen sich genauso verhalten müssten), ist er unentwegt mit der Gegenleistung beschäftigt, mit deren Hilfe er an die begehrten Dinge kommen (sie "verdienen") kann. Die Situation nötigt also zum tricksen, zum falschen Spiel, bei dem es immer um etwas anderes geht als es zu gehen scheint (man achte auf die bedrückenden Analogie zu den Noten in der Schule). Es führt zur prinzipiellen "Unehrlichkeit", weil ich von der Logik dieses Systems her möglichst viel Leistung mit möglichst wenig Gegenleistung bekommen möchte. Das ist nichts bösartiges oder unmoralisches, sondern logische Folge der Konstruktion. Der "korrekte Preis" ist dabei eine reine Notlösung, der Tribut an den gesellschaftlichen Zusammenhang, damit das ganze überhaupt funktioniert und die vom Wesen her egoistische Logik nicht den ganzen Zusammenhang sprengt (Sozialprodukt) von dem ich lebe, auf den ich existenziell angewiesen bin.

Zu 2: durchgängige Knappheit ist die Legitimation dafür, eine eigentlich ungesellschaftliche Logik zum bestimmenden Prinzip von Gesellschaft zu machen. "Zwei Menschen können wohl denselben Gedanken denken, aber nicht dasselbe Stück Brot essen" hatte schon der Pessimist Hobbes diese Zwangslage beschrieben. Wenn die gesellschaftliche Situation prinzipiell vom Kampf um Lebensmittel (im weitesten Sinne) geprägt ist, dann erscheint eine Logik, die unentwegte Anstrengung (eben Kampf -“bellum omnium contra omnes“ Hobbes)) verspricht, nicht besonders abstoßend, sondern adäquat und natürlich. Die Unerbittlichkeit der GEGEN- Leistung erscheint als (Not -) Lösung einer notvollen Grundsituation. Sie verspricht keine grundsätzliche Verbesserung der Lage, geht vom unentwegten Verzicht aus, aber verspricht, diesen vernünftig zu verwalten. Sie will das allgemeine und unvermeidbare Leid nicht abschaffen, sondern erträglicher gestalten. Die formale Gerechtigkeit des Äquivalenzprinzips als sozialer Kern dieser Logik soll den Zustand ewiger Knappheit regeln. Kein Wunder also, dass die Philosophen dieser Notlösung immer wieder die Unersättlichkeit menschlicher Wünsche und die angeborene Charakterschwäche der Menschen betonen, um den Gedanken zu verdrängen , es könne in Zukunft bessere Lösungen für die Menschheit geben.

Uli

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