aus: Christian Siefkes, From Exchange to Contributions
Er hat es in Englisch geschrieben und (natürlich) zur freien Nutzung gestellt unter:
Creative Commens Attribution-nonCommercial-ShareAlike? 3.0 License
mehr auf seiner website: www.peerconomy.org
Kapitel 4.Gemeinsam produzieren
Fabbing würde eine individualisierte Produktionsweise ermöglichen, wo jeder
Mensch für den Eigenbedarf produzieren könnte, ohne auf die Hilfe anderer
angewiesen zu sein. Solange keine solche "Autonomisierungs-Technik"
existiert, bleiben zwei Alternativen: Entweder der Markt -- man
kauft sich, was man braucht (sofern man es sich leisten kann). Oder die
Zusammenarbeit -- man kooperiert mit anderen, um so gemeinsam zu
produzieren, was man haben möchte, und teilt die Ergebnisse der Kooperation
auf eine Weise auf, die alle zufrieden stellt.
Wer sich für die zweite Möglichkeit entscheidet, muss eine Reihe von
Problemen lösen, damit die Kooperation klappt: man braucht andere, die zur
Zusammenarbeit bereit sind; man muss dafür sorgen, dass es genügend
Beiträge gibt und dass alle erforderlichen Aufgaben erledigt werden; und
man muss die Ergebnisse der Zusammenarbeit in einer Weise aufteilen, mit
der alle Beteiligten einverstanden sind. In diesem Kapitel werden wir diese
Probleme aus der Perspektive eines einzelnen Projekts betrachten; die
Verallgemeinerungen der gefundenen Lösungen in einem größeren Kontext
werden im nächsten Kapitel diskutiert.
4.1.Kooperationspartner finden
Es gibt zwei typische Möglichkeiten, um Menschen zu finden, die mit einem
zusammenarbeiten wollen: aufgrund gemeinsamer Interessen, oder aufgrund
räumlicher Nähe.
Kooperationspartner aufgrund gemeinsamer Interessen zu finden ist
die typische Art, in der sich heutzutage Peer-Projekte im Internet
organisieren: man trägt zu Freien Softwareprogrammen bei, weil man sie mag
oder braucht; man schreibt für die Wikipedia oder andere Online-Medien über
Themen, die einen interessieren; man schafft oder adaptiert Freie Musik
oder andere Arten Freier Kultur in einem Stil, der einem gefällt.
Alternativ kann man mit Menschen, die in der Nähe wohnen,
zusammenarbeiten. Dieser Modus der gemeinsamen Produktion mit den am selben
Ort lebenden Menschen ist sehr alt; er hat schon bei der Entwicklung
frühgeschichtlicher gesellschaftlicher Strukturen eine Rolle gespielt
\citep[vgl.][insb.\ S.~74--95, 185--230]{sahlins".
Diese beiden Alternativen schließen sich nicht aus. Es gibt Peer-Projekte,
bei denen sowohl Interesse als auch Standort von Bedeutung sind, zum
Beispiel Buch-Austausch-Projekte wie das
\href{http://www.leihnetzwerk.de/"{Leihnetzwerk".
Wir können davon ausgehen, dass in einer Gesellschaft, in der gemeinsame
Produktion die dominierende Produktionsweise ist, beide Arten,
Kooperationspartner zu finden, vorkommen werden. Es gibt Dinge, die alle
Menschen betreffen, die in einer bestimmten Gegend leben, etwa die
Bereitstellung und Instandhaltung der Infrastruktur. Daher können wir
erwarten, dass alle Menschen Mitglieder in lokalen Assoziationen
(Zusammenschlüssen) sein werden, die diese Dinge organisiert, z.B. in einer
Gemeinde. Und Menschen mit speziellen Interessen werden sich
weiterhin mit anderen zusammentun, die ähnliche Interessen haben, genau wie
heute.
4.2.Beiträge erhalten
Wie bereits erwähnt, ist die gemeinsame Produktion eine sehr alte Form
der Produktion -- sie war bereits vor Jahrtausenden im Leben der "Jäger
und Sammlerinnen" von Bedeutung. Seitdem ist die Arbeit immer komplexer
geworden. In prähistorischen Gesellschaften mag die Arbeitsteilung
eine geringe Rolle gespielt haben, für die heutige Gesellschaft ist sie
dagegen essenziell.
In prähistorischen Gesellschaften gab es üblicherweise Traditionen,
die regelten, wie die geringe Arbeitsteilung, die es schon gab, aussah.
Aufgaben wurden oft aufgrund des Geschlechts verteilt (Männern oblag das
Jagen, Frauen das Sammeln essbarer Pflanzen und die Aufzucht der Kinder),
oder sie wurden vererbt (das älteste Kind oder der älteste Sohn eines
Häuptlings oder Schamanen wurde sein Nachfolger). Nicht nur, dass eine
solche traditionsbasierte Aufgabenteilung nach heutigen Standards
inakzeptabel wäre -- sie wäre auch völlig unzureichend, um die hochgradig
komplexe Arbeitsteilung moderner Gesellschaften zu bewältigen.
Wie also können moderne Peer-Projekte und -Gemeinden ihre interne
Arbeitsteilung organisieren? Wie können sie sicherstellen, dass alle
notwendigen Aufgaben erledigt werden?
Heutige Peer-Projekte basieren in der Regel auf Freiwilligkeit:
wer beitragen will, sucht sich selbst die Aufgabe oder Aufgaben aus, die
sie oder er übernimmt (im Falle eines Freie-Software-Projekts implementiert
man vielleicht ein neues Feature, man fixt einen Bug, oder man schreibt
Dokumentation). Alle tragen aus freien Stücken so viel (oder so wenig)
bei, wie sie wollen.
Freiwilligkeit ist sehr sinnvoll für die Produktion von bestimmten Gütern,
insbesondere von solchen, die ohne nennenswerte Kosten kopiert werden
können, wie etwa Informationsgüter. Für die Wikipedia würde es keinen Sinn
machen, Leute, die selbst keine Artikel schreiben, deshalb vom Lesen
auszuschließen. Aber es ist unklar wie reine Freiwilligkeit bei der
Herstellung materieller Güter funktionieren könnte, wo die Produktion von
zusätzlichen Einheiten nennenswerten Mehraufwand verursacht. Ein
Peer-Projekt, das Autos herstellen will (nicht nur das Design, sondern die
Fahrzeuge selbst), wird kaum in der Lage sein, jedem und jeder, die darum
bittet, ein Auto auszuhändigen, ohne im Gegenzug einen Beitrag zu dem
Projekt zu erwarten. Auch wenn die Projektmitglieder gewillt wären, ihre
Produkte zu verschenken, würden ihnen früher oder später die benötigten
Ressourcen ausgehen. Auf Dauer wird es nicht gehen, sofern die
Auto-Interessenten nicht selbst gewisse Beiträge leisten.
Bei lokalen Zusammenschlüssen ergeben sich ähnliche Probleme. Es mag
möglich sein, eine Gemeinde allein auf Basis freiwilliger Beiträge zu
organisieren, aber es scheint kaum vorstellbar, dass eine solche Gemeinde
langfristig stabil wäre. Die Organisation einer Gemeinde ist sehr komplex
und umfasst eine Vielzahl von Aufgaben, die keineswegs alle angenehm sind.
Manche Aufgaben wie etwa die Müllabfuhr machen vermutlich den wenigsten
Spaß -- es ist deshalb zweifelhaft, dass sie genügend Freiwillige anziehen
würden.
Ohne genügend Freiwillige würde es mit der Gemeinde bergab gehen. Aber auch
wenn sich einige Leute freiwillig für solche unangenehmen Aufgaben melden,
würden sie dies eher aufgrund ihres Verantwortungsgefühls für die Gemeinde
tun, nicht weil sie die Aufgaben genießen. Das würde die Gefahr von
psychischen Spannungen innerhalb der Gemeinde erhöhen -- die Freiwilligen,
die die unangenehmen Aufgaben notgedrungen übernommen haben, dürften es den
anderen übel nehmen, dass sie nur angenehme Aufgaben erledigen (oder gar
keine).
Peer-Projekte und -Gemeinden müssen sich daher entscheiden, ob sie auf
reine Freiwilligkeit setzen wollen oder ob sie von allen, die die
Ergebnisse der Kooperation nutzen wollen, Beiträge abverlangen.
(Zumindest von allen, die materielle Ergebnisse nutzen wollen und damit
den anderen Mehraufwand verursachen -- Wissen und Informationen können
dagegen frei kopiert und deshalb frei geteilt werden, wie oben erwähnt.)
Ein Projekt, das Beiträge erfordert, könnte von allen Beteiligten
verlangen, eine bestimmten Anzahl von Stunden pro Monat (z.B.) beizutragen,
wobei die Beteiligten sich selbst aussuchen, welche der offenen Aufgaben
sie übernehmen. Diese Möglichkeit, Arbeitsstunden direkt und ohne
Berücksichtigung der übernommenen Aufgabe als Beiträge einzubringen, ist
zwar simpel, löst aber nicht das oben diskutierte Problem: Auch wenn
verschiedene Menschen ganz unterschiedliche Vorlieben haben können, was sie
gerne und was sie weniger gerne tun, gibt es doch Dinge, die (fast) niemand
gerne tut -- etwa weil sie lästig, schmutzig, gefährlich oder einfach nur
langweilig sind.
Wenn ein Projekt erfolgreich sein will, braucht es einen Ansatz, um mit
solchen Aufgaben fertig zu werden, und um den unterschiedlichen Präferenzen
seinem Mitglieder gerecht zu werden. Diesem Thema wenden wir uns im
nächsten Abschnitt zu.
4.3.Sicherstellen, dass die notwendigen Aufgaben erledigt werden
Es gibt mindestens drei Strategien, die Peer Projekte im Hinblick auf
unangenehme Aufgaben verfolgen können:
1. sie wegzuautomatisieren;
2. sie angenehmer zu machen (unterhaltsamer, interessanter, sicherer,
leichter);
3. sie kürzer zu machen (indem man sie höher gewichtet).
In einer hauptsächlich auf Peer-Produktion basierenden Gesellschaft dürften
alle diese Strategien zum Zuge kommen.
4.3.1.Automatisierung
Die Möglichkeiten der Automatisierung haben in den letzten Jahrhunderten
bereits beeindruckten Ergebnisse hervorgebracht. Diverse Berufe (z.B.
Schriftsetzer) sind durch den Einsatz von Computern überflüssig geworden.
Während 1900 noch 38\% der amerikanischen Arbeitskräfte in der
Landwirtschaft tätig waren, war dieser Anteil im Jahr 2000 auf unter 3\%
gesunken \citep{nae". Moderne Fabriken könnten mit einen winzigen Bruchteil
der Arbeitskraft, die im 18.~Jahrhundert in Manufakturen gebraucht wurde,
Dinge produzieren, deren Komplexität noch vor 50~Jahren undenkbar gewesen
wäre. Es gibt wenig Grund zu der Annahme, dass die Möglichkeiten der
Automatisierung bald ausgeschöpft sein könnten -- eher dürfte sie auch in
Zukunft weiter zunehmen und dadurch den menschlichen Arbeitsaufwand für
viele Aufgaben weiter reduzieren.
Allerdings kann das Potenzial der Automatisierung in marktwirtschaftlichen
Systemen nicht voll ausgeschöpft worden, insbesondere nicht in Bezug auf
unangenehme Aufgaben. In der Marktwirtschaft muss sich Automatisierung
finanziell rentieren -- die durch die Einführung einer
Automatisierungsmaßnahme entstehenden Kosten müssen mittel- oder
langfristig niedriger sein als die Kosten der menschlichen Arbeit, die sie
ersetzt. Andernfalls lohnt sich Automatisierung für die Unternehmen nicht,
da sie teurer produzieren würden als zuvor und gegenüber ihrer Konkurrenz,
die auf Automatisierung verzichtet, ins Hintertreffen geraten. Die Chancen
für erfolgreiche Automatisierung hängen also von den Lohnkosten ab: je
schlechter bezahlt ein Job ist, desto schwieriger wird es, ihn erfolgreich
zu automatisieren. Da in der Marktwirtschaft aus Gründen, die im Rahmen
dieses Textes nicht diskutiert werden können, gerade die unangenehmen
Aufgaben oft nur schlecht bezahlt werden (z.B.\ Müllabfuhr oder Putzen),
gibt es hier nur wenige Anreize dafür, gerade diese Aufgaben
wegzurationalisieren.
Bei der gemeinsamen Produktion sieht das ganz anders aus -- wenn alle
Mitglieder eines Peer-Projekt bestimmte Aufgaben vermeiden wollen, können
sie erhebliche Anstrengungen auf sich nehmen, um sie los zu werden (oder
zumindest weniger umfangreich oder weniger unangenehm zu machen).
Alternativ können sie sich natürlich auch entscheiden, dass sich dieser
Aufwand nicht lohnt, und sich stattdessen auf einen Verteilungsmodus für
die unangenehmen Aufgaben einigen, mit dem alle leben können. Aber diese
Entscheidung liegt bei ihnen -- sie hängt von ihren eigenen Präferenzen ab,
nicht vom Markt.
4.3.2.Spaß
Eine andere Strategie, die Projekte im Umgang mit unangenehmen Aufgaben
verfolgen können, die sich (noch) nicht wegautomatisieren lassen, besteht
darin, sie angenehmer zu machen. Dafür gibt es viele Möglichkeiten, je nach
Art der Aufgabe: unsichere Arbeitsbedingungen kann man sicherer machen;
unbeliebte Arbeitszeiten können aufgegeben werden (derzeit müssen
Reinigungskräfte in Büros oft sehr früh oder spät arbeiten, um die reguläre
Büroarbeit nicht zu stören -- Peer-Projekte können sich das anders
einteilen). Zahlreiche Aufgaben können unterhaltsamer, interessanter oder
anspruchsvoller gemacht werden als sie heute sind, wenn diejenigen, die die
Aufgabe erledigen, auch entscheiden, wie sie erledigt wird -- und
für Peer-Projekte wird das der normale Modus sind.
Peer-Produktion eröffnet auch in dieser Hinsicht viele Spielräume, die in
der Marktwirtschaft fehlen. Auf dem Markt gewinnt normalerweise der
günstigste Anbieter, daher können Unternehmen ihre Arbeitsbedingungen kaum
sicherer oder angenehmer machen, wenn dies ihre Produktionskosten erhöhen
würde (sofern ihre Konkurrenten nicht dasselbe tun müssen, etwa aufgrund
gesetzlicher Regelungen). Und sie haben nur wenig Anreiz, ihre
Arbeitsbedingungen attraktiver zu machen, solange sie -- etwa aufgrund
hoher Arbeitslosigkeit -- auch für unattraktive Arbeitsplätze genügend
Bewerber/innen finden. Peer-Produzent/innen haben keine Konkurrenz, die sie
unterbieten müssen; sie haben sowohl den Anreiz als auch die Möglichkeiten,
ihre eigene Arbeit angenehmer zu machen.
4.3.3.Gewichtete Arbeit (Aufgabenversteigerung)
Automatisierung und Spaß sind Möglichkeiten, um die Aufgaben, die die
Mitglieder eines Projekts erledigen müssen, zu erleichtern. Aber das in
Kap.~\ref{sec:producer-consumer-problem" benannte Problem lösen sie noch
nicht: sie bringen die Konsumierendenperspektive der Projektmitglieder
(bestimmte Aufgaben sollen erledigt werden) nicht in Einklang mit ihrer
Produzierendenperspektive (manche Aufgaben sind beliebt, andere weniger).
Wenn sich jedes Projektmitglied unabhängig von den anderen die eigenen
Lieblingsaufgaben aussucht (Produzierendenperspektive), dürfte die Summe
dieser Produzierendenentscheidungen kaum der Summe der
Konsumierendenwünsche entsprechen -- für manche der Aufgaben, die für die
Produktion notwendig sind, wird es mehr Freiwillige geben als nötig, für
andere nicht genug.
Dieses Problem ließe sich zwar durch Regelungen wie "Wer zuerst kommt,
mahlt zuerst" (bei zu vielen Freiwilligen kriegen diejenigen, die sich
zuerst gemeldet haben, den Zuschlag; wer zu spät kommt, muss sich unter den
verbleibenden Aufgaben etwas aussuchen) oder per Losverfahren lösen. Aber
solche Ansätze klingen nicht sonderlich attraktiv. Sie würden dazu führen,
dass einige Leute das tun, was sie wirklich gerne tun, während sich andere
mit Alternativbeschäftigungen, die ihnen weniger gut gefallen, zufrieden
geben müssen -- nur weil sie nicht schnell genug waren oder einfach Pech
hatten.
Kann man es besser machen? Können die Mitglieder eines Peer-Projekts es
schaffen, ihre kollektiven Präferenzen als Produzent/innen und als
Konsument/innen so in Übereinstimmung zu bringen, dass sich alle frei
entscheiden können, welche Aufgaben sie übernehmen möchten, und dass
dennoch alle benötigten Aufgaben erledigt werden?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir bedenken, dass sich die
Präferenzen der Menschen noch in Bezug auf eine andere Dimension
unterscheiden: in Bezug auf die Zeit. Es kommt nicht nur darauf an,
welche Aufgaben man für ein Projekt erbringt, sondern auch wie viel Zeit
man damit verbringt. Eine unangenehme Aufgabe wird angenehmer, wenn man
weniger Zeit damit verbringen muss, so dass einem mehr Zeit für andere
Aktivitäten verbleibt -- sei es für andere, interessantere Projekte, zum
faul sein und entspannen, für Geselligkeit oder für die Liebe. Wenn ich
mich entscheiden muss, ob ich eine vorgegebene Zeitspanne mit einer Aufgabe
verbringe, die mir gefällt (sagen wir Programmieren), oder aber mit einer,
die ich nicht mag (z.B. Müllabfuhr), wird mir die Wahl nicht schwerfallen.
Aber wenn ich mich zwischen zwanzig Wochenstunden Programmieren und fünf
Wochenstunden Müllabfuhr entscheiden muss, könnte meine Entscheidung anders
ausfallen -- die unbeliebte Tätigkeit ist plötzlich um einiges attraktiver
geworden (vgl. Abb.~\ref{fig:weighted-labor").
Computer machen es einfach, die in einem Projekt anfallenden Tätigkeiten
mit den unterschiedlichen Präferenzen der Projektmitglieder in Bezug auf
diese beiden Dimensionen abzustimmen und dadurch die
Konsumierendenperspektive mit der Produzierendenperspektive zu versöhnen.
Für diesen Zweck kann das Projekt ein Aufgabenversteigerungssystem
einrichten. Dieses System listet alle zu erledigenden Aufgaben auf
ermöglicht es allen Projektmitglieder, sich die Aufgaben, die ihnen am
besten gefallen, auszusuchen. Gibt es nicht genügend Freiwillige
für eine Aufgabe, wird das Gewicht dieser Aufgabe erhöht: wer
diese Aufgabe übernimmt, muss weniger Zeit für das Projekt aufbringen.
Umgekehrt wird das Gewicht von Aufgaben, für sie sich mehr
Freiwillige als nötig interessieren, reduziert -- man muss also mehr Zeit
für das Projekt aufbringen, wenn man sie übernehmen will (sofern man sich
nicht entscheidet, doch lieber etwas anderes zu machen, was weniger Zeit
kostet). Nach jeder solchen Anpassung der Gewichte haben die
Projektmitglieder die Möglichkeit, sich umzuentscheiden. Dieser Vorgang
wird fortgesetzt, bis alle Aufgaben aufgeteilt wurden -- bis die Gewichte
unpopulärer Aufgaben so stark gestiegen ist, dass sie dennoch genügend
Freiwillige anziehen, und die Gewichte beliebter Aufgaben so stark gefallen
sind, dass sich die überzähligen Freiwilligen auf weniger zeitaufwendige
Aktivitäten umorientiert haben.
Die Beiträge zu einem Projekt werden also nicht einfach in Arbeitszeit,
sondern in gewichteter Arbeitszeit gemessen -- sie können in
gewichteten Stunden gemessen werden. Wenn also die nötigen Beiträge
gleichmäßig unter allen Projektmitgliedern aufgeteilt werden (außer denen,
die befreit sind, vgl.\ Kap.~\ref{sec:non-contributors"), heißt das, dass
alle die gleiche Anzahl gewichteter Stunden beitragen sollen (in
einem bestimmten Zeitraum, z.B. pro Monat oder Jahr). Dagegen kann die
tatsächlich auf das Projekt aufzubringende Arbeitszeit sehr viel höher
höher oder niedriger ausfallen, je nachdem, ob man sich für populäre oder
für unpopuläre Aktivitäten entscheidet.
Ein solches Aufgabenversteigerungssystem stellt also sicher, dass
alle relevanten Aufgaben übernommen werden und dass sich sich alle
Projektmitglieder gemäß ihrer eigenen Präferenzen entscheiden können --
niemand wird gezwungen, etwas zu tun oder zu lassen. Es berücksichtigt
nicht nur unangenehme Aufgaben, sondern auch Tätigkeiten, die besondere
Talente oder Fähigkeiten erfordern. Wenn es für solche Tätigkeiten weniger
geeignete Freiwillige gibt als nötig, werden sie automatisch höher
gewichtet, was die Motivation der Leute mit entsprechenden Fähigkeiten,
diese Fähigkeiten einzusetzen statt sie ungenutzt zu lassen, erhöhen
dürfte.
Bei der Ausgestaltung eines solches Systems sind viele Varianten denkbar.
Projekte könnten sich etwa dafür entscheiden, eine Obergrenze für
die Gewichtung von Aufgaben festzulegen. Dann müssen sich die
Projektmitglieder entscheiden, wie sie vorgehen, wenn offene Aufgaben diese
Grenze erreichen. Falls sie die Grenze bei Bedarf nicht einfach erhöhen und
doch noch weiter auf Freiwillige warten, könnten die Projektmitglieder etwa
beschließen, solche Aufgaben gleichmäßig aufzuteilen, so dass sie jede/r
von Zeit zu Zeit übernehmen muss; bei manchen Aufgaben könnten sie auch
einfach beschließen, auf diese Aufgabe zu verzichten. Projekte könnten auch
eine Untergrenze der Gewichte festlegen und bei Aufgaben, die unter
diese Grenze fallen, auf andere Weise unter den Freiwilligen entscheiden
(z.B. nach dem Grundsatz "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" oder per
Losverfahren, Auswahlgesprächen oder Wahlen).
Generell ist nicht jede/r, der/die etwas tun möchte, in den Augen der
anderen dafür geeignet. Projekte werden also häufig genauer hinsehen, bevor
sie jemand eine Aufgabe anvertrauen (genau wie heutige Peer-Projekte nicht
blindlings beliebige Beiträge akzeptieren). Um dieses Thema wird es in
Kap.~\ref{sec:which-contributions" gehen.
Ein Großteil der erforderlichen Beiträge besteht in Arbeit (zu erledigenden
Aufgaben), aber daneben benötigen viele Peer-Projekte auch noch andere
Ressourcen. Um festzustellen, wie solche Ressourcen ins Spiel kommen
können, müssen wir von der Innensicht eines Projekts zur Makroperspektive
wechseln -- das wird in Kap.~\ref{chap:a-peer-economy" geschehen. Wer sich
für die blutigen mathematischen Details der Auktionsmodelle interessiert,
findet sie im Anhang (\ref{chap:math-details").
4.4.Projektergebnisse aufteilen
4.4.1.Teile was du kannst
Wie wir gesehen haben (vgl.\ Kap.~\ref{sec:commons"), zeichnet sich die
Peer-Produktion durch eine Philosophie des Teilens aus, die sowohl
großzügig als auch pragmatisch ist. Geteilt wird im Allgemeinen, was man
teilen kann, ohne selbst viel zu verlieren, aber es gibt keinen Druck, auf
Dinge zu verzichten, die man selber nutzen will.
Da es keine Anzeichen des Gegenteils gibt, können wir erwarten, dass diese
Praxis -- großzügig zu teilen was man einfach teilen kann -- fortgesetzt
wird. Somit werden Peer-Projekte ihre Informationen und ihr Wissen auch
weiterhin anderen Projekten und der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung
stellen (sofern dem nicht Datenschutz-Bedenken entgegenstehen), ohne
gravierende Bedingungen zu stellen.
Eine Bedingung gibt es in der heutigen Peer-Produktion allerdings häufig,
nämlich die Forderung, dass veränderte Versionen nur unter denselben
Bedingungen verbreitet werden dürfen wie das Original, sie also ebenfalls
Gemeingüter werden (Copyleft-Klausel, auch "Share Alike" genannt).
Eine andere Einschränkung, die sich selten bei Software, aber häufiger bei
anderen Werken findet, ist das Verbot, diese Werke marktwirtschaftlich zu
verwerten (nur die nichtkommerzielle Nutzung wird erlaubt). Heute
und vermutlich auch in Zukunft sind die Einstellung in dieser Frage
gemischt -- manche Peer-Projekte stellen eine oder beide dieser
Bedingungen, während andere darauf verzichten.
Das Verbot der kommerziellen Nutzung wird denn irrelevant, wenn die
Peer-Produktion die marktbasierte Produktion vollständig verdrängt hat --
vorher nicht. Copyleft wird selbst dann noch eine Rolle spielen,
wenn und insofern es beliebigen Nutzer/innen ein Recht auf Zugang zum
Quellcode (die Form eines Werks, in der sich Änderungen am besten
durchführen lassen) auch von modifizierten Versionen einräumt. Ohne dieses
Recht haben sie diese Möglichkeit nicht immer, da jemand ein von anderen
freigegebenes Werk bearbeiten und die neue Fassung in einer Form
veröffentlichen kann, die für weitere Modifikationen ungeeignet ist
("Binärform").
4.4.2.Aber was ist mit dem Rest?
Nur wenige Dinge lassen sich so gut teilen wie Informationen (die einfach
kopiert werden können). Ein Projekt, dessen Ziel es ist, Spaghetti zu
kochen, wird kaum in der Lage sein, die Ergebnisse seiner Aktivitäten mit
allen zu teilen, die Spaghetti essen wollen. Im Zweifelsfall werden die
Projektmitglieder die Spaghetti lieber selber essen, statt sie anderen
abzugeben und hungrig zu bleiben. In solchen Fällen werden die Leute, die
zu dem Projekt beitragen, oft nur unter sich selber teilen, statt die
Ergebnisse ihres Tuns an Dritte weiterzugeben und selber zu verzichten.
Um die Ergebnisse eines Projekts unter den Beteiligten aufzuteilen, gibt es
verschiedene Möglichkeiten, die im Folgenden diskutiert werden. Diese
Möglichkeiten schließen sich nicht unbedingt aus -- sie können auch
kombiniert werden. Welcher Modus am meisten Sinn macht, hängt neben den
Präferenzen der Beteiligten auch davon ab, was produziert wird.
4.4.2.1.Flatrates
Die Spaghetti-Kochgruppe zeigt eine naheliegende Lösung dieses Problems
auf: vermutlich werden die Beteiligten gar nicht weiter regeln, wie viel
Spaghetti jede/r von ihnen essen darf. Wenn sie ein Essen organisieren,
werden sie vermutlich erwarten, dass sich alle auf die eine oder andere
Weise an den nötigen Vorbereitungen und Aufräumarbeiten beteiligen, aber
die verfügbaren Portionen nicht streng regulieren -- stattdessen nehmen
sich alle so viel oder so wenig Spaghetti wie sie möchten, solange bis
alles aufgegessen ist oder niemand mehr kann. Unter Freunden werden Partys
oder gemeinsame Essen häufig auf diese Weise organisiert -- soziale
Produktion ist eben nichts Neues, sondern ein schon heute übliches
Phänomen, das uns nur meist nicht auffällt.
Dieses Modell kann man als Flatrate-Modell bezeichnen, da es an die
beliebten Flatrate-Angebote für Internet-Zugang und Telefonie erinnert. In
anderen Bereichen gibt es ähnliche Angebote unter anderen Namen, etwa
Pauschalreisen ("alles inklusive"), "All you can eat"-Restaurants,
oder auch die Monats- und Jahreskarten von Verkehrsbetrieben.
In der Marktwirtschaft haben diese Modelle gemeinsam, dass sie eine feste
Gebühr berechnen, unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch. Für die Anbieter
sind solche Pauschal\-modelle oft einfacher als detailliertere
Abrechnungsmodelle. Für die Nutzer/innen sind sie oft günstiger und in
jedem Fall praktischer, da die exakten Kosten im Voraus bekannt sind und
man keine Angst vor unangenehmen Überraschungen haben muss.
In der Peer-Produktion bedeuten solche Modelle, dass alle Beteiligten etwa
dasselbe beitragen (oder einen Mindestbeitrag leisten) und dass ihnen im
Gegenzug die Ergebnisse des Projekts zur freien Verfügung stehen.
4.4.2.2.Flache Allokation
Wenden wir uns nach der Spaghetti-Kochgruppe nun anderen Peer-Projekten zu.
Welchen Verteilmodus könnte beispielsweise ein Projekt, das Autos
produziert, benutzen? (Gemeint ist dabei die Produktion der Autos selbst,
nicht nur von Designs und Bauplänen, wie es das
\href{http://www.theoscarproject.org/"{OScar?"" und das
\href{http://www.autoindetoekomst.nl/website/"{c,mm,n"" Projekt
machen.)
Ein solches Projekt würde kaum glücklich werden mit einem Flatrate-Modell,
wo alle etwa das Gleiche beitragen und sich schließlich jede/r ein oder
zwei oder mehrere Autos nimmt, je nach Wunsch. Manche derer, denen ein
einziges Autos reicht (vermutlich die große Mehrheit) wären verstimmt, weil
sie mehr arbeiten müssten, damit andere mehr Autos bekommen als sie
selber wollen; sie könnten daher auf die Idee kommen, sich selbst zum
Ausgleich mehr Autos zu nehmen als eigentlich nötig. Einige Leute würden
sich zusätzliche Autos nehmen, die sie nicht selber brauchen, sondern an
Freund/innen weitergeben, ohne dass diese etwas zu dem Projekt beigetragen
hätten. Das würde zumindest die Stimmung im Projekt zerstören, und
vielleicht das ganze Projekt.
Das Projekt kann diese Probleme vermeiden, wenn es statt dem
Flatrate-Modell ein etwas anderes Allokationsmodell verwendet. In diesem
Modell -- nennen wir es flache Allokation -- muss man in einem
bestimmten Umfang zu dem Projekt beitragen, um ein Auto zu bekommen
(statt so viele wie man will). Wer zwei Autos will, muss folglich doppelt
so viel beitragen, und so weiter. Dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob
jemand für den Eigenbedarf oder für andere produziert -- man kann die
produzierten Autos guten Gewissens an Freunde weitergeben, ohne dadurch die
anderen Projektmitglieder zu belasten.
Dieses flache Allokationsmodell, wo jede/r eine produzierte Einheit (z.B.ein Auto) für eine bestimmte Menge an Beiträgen erhält, macht vor allem
dann Sinn, wenn die jeweils produzierten Gegenstände (etwa Computer oder
eben Autos) alle etwa denselben Produktionsaufwand erfordern.
'''4.4.2.3.Maßgeschneiderte Produktion mit Abrechnung nach
Produktionsaufwand'''
Was geschieht, wenn die Dinge so kompliziert werden, dass weder
Flatrate noch flache Allokation angemessene Modelle sind? Wie
sieht es etwa mit Wohnraum aus? Verschiedene Wohnungen und Häuser
unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Und während manche Faktoren wie
Größe und Ausstattung theoretisch angeglichen werden könnten, ist dies bei
anderen Faktoren wie etwa der Lage (Meerblick oder nicht?) grundsätzlich
nicht möglich. Aber selbst wo eine Angleichung theoretisch denkbar wäre,
macht sie praktisch keinen Sinn -- manche Menschen dürften große, luxuriöse
Häuser bevorzugen und bereit sind, dafür auch mehr Arbeit aufzubringen,
während anderen mit kleineren oder einfacher ausgestatteten Wohnungen
zufrieden sind und ihre Zeit lieber anderweitig nutzen.
Wenn ein Projekt oder eine Gemeinde Wohnraum für seine Mitglieder
bereitstellt, wird es diese unterschiedlichen Bedingungen und Präferenzen
berücksichtigen müssen -- eine Einheitslösung reicht nicht.
Ein Teil der Antwort ergibt sich daraus, dass ein Projekt den relativen
Produktionsaufwand für die Herstellung diverser Güter messen kann,
insbesondere wenn es die nötigen Aufgaben als gewichtete Arbeit
vergibt (vgl. Kap.~\ref{sec:weighted-labor"). Dadurch kann es seine
Produktion flexibel an die Wünsche seiner Mitglieder anpassen, auch wenn
der jeweilige Produktionsaufwand für solche maßgeschneiderten Produkte
höher oder niedriger ist als der Durchschnitt. In solchen Fällen kann nach
dem Produktionsaufwand abgerechnet werden -- die oder der Betroffene muss
dann entsprechend mehr oder weniger zum Projekt beitragen. Wer ein größeres
und luxuriöseres Haus haben will, kann es haben, sofern sie/er bereit ist,
selbst mehr beizutragen und dadurch den erhöhten Aufwand (gemessen etwa in
gewichteten Stunden) für Bau und Instandhaltung dieses Hauses
auszugleichen.
In ähnlicher Weise könnte ein Projekt, das seine Mitglieder mit diversen
Lebensmitteln versorgt, viele alltägliche Lebensmittel per
Flatrate-Modell anbieten (da niemand so viel mehr oder weniger als
andere isst), aber aufwendigere und rarere Produkte (Whisky, Kaviar) gemäß
ihrem Produktionsaufwand abrechnen. Die Flatrate könnte solche
"Luxusgüter" bis zu einem bestimmten Umfang beinhalten, so dass sich
jedes Projektmitglied gemäß den eigenen Präferenzen einige dieser Güter
nehmen kann, ohne deshalb mehr beitragen zu müssen. Wer mehr davon will,
müsste dann auch mehr beitragen, um so den erhöhten Aufwand auszugleichen.
4.4.2.4.Präferenzgewichtung (Produktversteigerung)
Abrechnung nach Produktionsaufwand reicht aber nicht in allen Fällen. Das
Beispiel "Meerblick" wurde schon genannt. Der Produktionsaufwand eines
Hauses hängt nicht davon ab, ob es Meerblick hat oder nicht, aber es wird
dadurch für viele Menschen attraktiver.
Maßgeschneiderte Produktion bietet hier keinen Ausweg, da Küsten nicht
"maßgeschneidert" verlängert werden können. Gemeinden am Meer werden
daher kaum allen, die gerne Meerblick hätten, passenden Wohnraum zur
Verfügung stellen können (Inland-Gemeinden werden in anderen Bereichen
ähnliche Probleme haben).
Wie kann man solche Überschneidungen zwischen den Präferenzen verschiedener
Menschen auflösen? Eine Möglichkeit, dies fair und und ohne Willkür zu tun,
besteht darin, die Präferenzen auf ähnliche Weise zu
gewichten, wie im Falle gewichteter Arbeit
(Kap.~\ref{sec:weighted-labor") die Aufgaben gewichtet werden. Statt
Aufgaben werden jetzt also Produkte versteigert. Wenn es für ein
bestimmtes Produkt mehr Nachfrage gibt als befriedigt werden kann, kann das
Projekt die relativen Kosten (den Umfang der erforderten Beiträge) dieses
Produkts so lange erhöhen, bis sich genügend potenzielle Interessenten
umentscheiden (Versteigerung-nach-oben). Dagegen kann das Projekt
Produkte, die niemand haben will, dadurch attraktiver machen, dass es ihre
relativen Kosten senkt (Versteigerung-nach-unten). "Produkt"
bezieht sich hier auf alles, was Projekte produzieren -- neben materiellen
Güter können auch Dienstleistungen auf diese Weise nach oben oder unten
versteigert werden.
Natürlich werden sich Projekt im Allgemeinen darum bemühen, ihre Produktion
möglichst gut an die Nachfrage ihrer Mitglieder anzupassen. Aber immer wenn
dies unmöglich ist (etwa aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von
"natürlichen Ressourcen" wie Meerblick), bietet dieses Modell der
Präferenzgewichtung einen Ausweg. Ein solcher
Produktversteigerungs-Mechanismus lässt sich gut als
softwarebasiertes System implementieren, genau wie der oben diskutierte
Aufgabenversteigerungs-Mechanismus.
Wichtig hierbei ist, dass es immer nur die relativen Kosten sind,
die modifiziert werden -- ein Anstieg der relativen Kosten (benötigten
Beiträge) für ein bestimmtes Produkt führt automatisch dazu, dass die
relativen Kosten für alle anderen Produkte fallen. Das liegt daran,
dass der für die gesamte Produktion eines Projekts nötige Aufwand unter den
Beteiligten aufgeteilt wird -- das Projekt muss dafür sorgen, dass
alle notwendigen Aufgaben erledigt werden, aber darüber hinaus gibt es (im
Rahmen des Projekts) "nichts zu tun". Übernimmt also ein Projektmitglied
zusätzliche Aufgaben, um ein nach oben versteigertes Produkt zu erwerben,
haben die anderen Projektmitglieder entsprechend weniger zu tun -- ihnen
verbleibt mehr Zeit für andere Aktivitäten außerhalb des Projekts.
Diese beiden Gewichtungsmodelle -- gewichtete Arbeit und
Präferenzgewichtung -- sorgen dafür, dass sich jede/r gemäß den
eigenen Vorlieben frei entfalten kann. Niemand ist gezwungen, Aufgaben zu
übernehmen, die sie nicht mag, oder in Bedingungen zu leben, die ihm nicht
gefallen. Alle können frei entscheiden, ob sie Luxus vorziehen (und
welchen Luxus) oder ob sie lieber faul sind; ob sie lieber mehr Zeit
dafür aufwenden, um Aufgaben zu erledigen die sie gerne machen oder um
Dinge zu bekommen die ihnen wichtig sind, oder ob sie sich mit einfacheren
Lebensstil oder der raschen Erledigung von weniger beliebten Aufgaben
zufrieden geben, um so mehr Zeit für andere, vom Produktionsprozess
losgelöste Aktivitäten zu haben.
Zugegeben, wer ein Leben voller Luxus jeglicher Art und voller
Müßiggang -- ohne irgendwelche Tätigkeiten, die anderen zugute kommen --
bevorzugt, könnte Pech haben -- sofern man nicht andere überzeugen kann,
eine/n mit allem zu versorgen ohne dafür irgendeine Gegenleistung zu
erwarten. Im Allgemeinen wird man Prioritäten setzen müssen, was einem am
wichtigsten ist. Aber diese Entscheidungen kann man nach eigener freier
Wahl treffen -- weder andere Menschen noch das Glück oder Schicksal (etwa
Einkommen oder Position der Eltern oder das Losglück) können einem
vorschreiben, wie man zu leben hat und auf welche Möglichkeiten man
verzichten muss.
4.4.2.5.Nutzung versus Eigentum
Oben ging es um das Beispiel Wohnraum. Betrachten wir näher, was
eigentlich die Ergebnisse eines Projekt in diesem Bereich sind. Sind es
die vom Projekt gebauten Häuser und Wohnungen selbst? Das würde bedeuten, dass
das Projekt jedes Haus an eine Interessent/in übergibt, die es dann
solange bewohnt wie sie will und anschließend irgendwie wieder loswerden
muss. Das wäre eine Möglichkeit, aber nur wenn es einen Markt gibt,
auf dem man Wohnungen verkaufen kann, die man nicht mehr braucht.
Andernfalls würde Menschen, die nur für einen begrenzten Zeitraum eine
Unterkunft suchen, ein gewaltiger Nachteil entstehen, denn um eine passende
Wohnung zu erhalten, müssten sie genauso viel beitragen wie jemand, der
dort "für immer" leben will.
Ist es möglich, dieses Problem mittels Peer-Produktion allein zu lösen,
ohne einen ergänzenden Markt zu benötigen? Die Antwort liegt auf der Hand,
wenn man sich an das oben erörterte Flatrate-Modell erinnert. Bei Flatrates
wird ein bestimmter Umfang von Beiträgen für eine festgelegten
Nutzungszeitraum fällig, sagen wir, für einen Monat Internetzugang.
Dasselbe Modell lässt sich auch für Wohnraum anwenden: Beiträge werden
abrechnet nach der Zeitdauer, während der man eine Unterkunft nutzt, nicht
einmal pauschal "für immer". Wer $n$ Monate (oder Jahre) in einer Wohnung
lebt, wird also $n$-mal so viel beitragen wie jemand, der dort nur einen
Monat (ein Jahr) bleibt. Braucht man die Wohnung nicht mehr, gibt man sie
an das Projekt bzw. die Gemeinde zurück -- um Wohnraum dürften sich
sinnvollerweise Gemeinden oder andere lokale Assoziationen
kümmern (vgl.\ Kap.~\ref{sec:finding-others"), da alle Gebäude an einen
festen Ort gebunden sind. Nach der Rückgabe gibt die Gemeinde die Wohnung
dann an jemand anders weiter, die/der Interesse hat und bereit ist, die
erforderlichen Beiträge zu erbringen.
Das Besorgen einer Unterkunft in einer auf Peer-Produktion basierenden
Wirtschaft dürfte daher eher dem Mieten als dem Kauf in einer
Marktwirtschaft ähneln -- mit dem wesentlichen Unterschied, dass es keine
separate Person oder Firma gibt, von der man mietet. Stattdessen erhält man
die Unterkunft von der Gemeinde, zu der man selbst gehört. Die produzierten
Gebäude können als Gemeingut betrachtet werden -- sie gehören zur
Gemeinde, die sie ihren Mitgliedern zur Verfügung stellt.
Auch hier ist es nicht unbedingt notwendig, dass die Bewohner/innen einer
Wohnung die dafür erforderlichen Beiträge selber aufbringen. Ob man
eine Wohnung alleine bewohnt, sie mit Familie oder Freund/innen teilen,
oder sie den Freund/innen komplett überlässt, kann jede/r selbst
entscheiden, solange sie/er nur bereit ist, die notwendigen Beiträge zu
erbringen.
Ein solchen auf Nutzung (Besitz) statt auf Eigentum
aufbauendes Allokationskonzept ist auch in anderen Situationen sinnvoll.
Immer wenn die geschätzte "Lebensdauer" eines Produkts die individuell
erwartete Nutzungsdauer überschreitet, hat ein nutzungsbasiertes Konzept
den Vorteil, keinen unnötigen Müll zu erzeugen (wenn Dinge weggeworfen
würden, nur weil die bisherige Nutzer/in sie nicht mehr braucht) und keinen
Zweitmarkt für Gebrauchtgegenstände zu benötigen.
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