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aus: Klaus Holzkamp, Grundlegung der Psychologie

...In dem herrschenden Konzept von "Erziehung", dem gemäß Kinder genuin nicht lernen und sich entwickeln „wollen“, sondern erst durch Drohungen, Einschüchterungen und Bestechungen dazu gepresst werden müssen, ist das gesellschaftliche Interesse an der Durchsetzung des Sich-Abfindens mit der Fremdbestimmtheit, also partiellen Behinderung und "Brechung" der kindlichen Aktivitäten zur subjektiv notwendigen Erweiterung seiner Verfügung/Lebensqualität durch Selbstentwicklung, bereits im Sinne der bürgerlichen Ideologie impliziert. Kindliche Lebensbedingungen, in denen es sich frei und ungebrochen in Richtung auf die Durchsetzung seiner Lebensinteressen in Teilhabe an der Verfügung über allgemeine/eigene Daseinsumstände entwickeln kann, sind eben nicht die, aus welchen die "gebremste" Bedingungsverfügung der Erwachsenenexistenz in der bürgerlichen Gesellschaft resultiert.

Trotz der damit angedeuteten Entwicklungsbehinderungen und - formierungen muss es im gegenwärtig diskutierten Zug der Ontogenese dennoch im Ganzen gesehen "durchschnittlich" zu einer Erweiterung der kooperativen Verfügungs- und Einflußmöglichkeiten samt der dazu erforderten Haltungen und Fähigkeiten des Kindes innerhalb der unmittelbaren Lebensgemeinschaft mit den Erwachsenen kommen. Dies deswegen, weil der diesbezügliche "Entwicklungsstand" des Kindes hier noch eindeutig unter dem liegt, was an kooperativen Kompetenzen und Beiträgen für die Beteiligung der Erwachsenen an der gesellschaftlichen Lebensgewinnung selbst unter fremdbestimmt - bürgerlichen Verhältnissen erfordert ist, sodass eine entsprechende, wenn auch „gebrochene“ Weiterentwicklung des Kindes hier auch im herrschenden Interesse liegt. Gerade mit der so erreichten allmählichen Verminderung der Diskrepanz zwischen den kooperativen Einfluss - und Verfügungsmöglichkeiten des Kindes und des Erwachsenen im Rahmen der unmittelbaren Lebensgemeinschaft muss aber für das Kind der in den formationsspezifischen Beschränkungen durchschlagende allgemeine Widerspruch immer deutlicher erfahrbar werden, dass damit seine Abhängigkeit von den Erwachsenen keinesfalls "gegen null" geht, sondern im Gegenteil letztlich unverändert bestehen bleibt: das Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern verdeutlicht sich so als der Größenordnung nach so beschaffen, das ist durch die bloß kooperativen Fortschritte des Kindes nicht reduzierbar ist, womit auch die Delegation von Einflussmöglichkeiten an das Kind so niemals den Status von gewährten und jederzeit rücknehmbaren Zugeständnissen verlieren kann. Dabei sind die "Gründe" für den quasi "qualitativen", unaufhebbaren Charakter seine Abhängigkeit von den Erwachsenen für das Kind innerhalb der unmittelbaren kooperativen Lebensgemeinschaft nicht erkennbar. Vielmehr liegen die "Prämissen" , durch welche die Überlegenheit/Machtausübung der Erwachsenen innerhalb der unmittelbaren Lebensgemeinschaft als allgemeinert- funktional erscheint und deswegen als auch im Interesse des Kindes liegend durchgesetzt wird, - wie das Kind immer deutlicher ahnt - außerhalb der kooperativen häuslichen Lebensgemeinschaft selbst, irgendwie "woanders", "draußen" etc. - tatsächlich ja zentral in der gesamtgesellschaftlichen Vermitteltheit der Existenz der Erwachsenen, wodurch sie in der Positionsrealisierung im Produktionsbereich erst die materiellen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die „häusliche“ Lebensgemeinschaft im Reproduktionsbereich (als Moment ihrer Lebenslage) überhaupt „existenzfähig“ ist, und woraus sich objektiv die qualitative Abhängigkeit des Kindes, das dazu nichts beiträgt, als materielle Abhängigkeit von den sein Leben „miterhaltenden“ Erwachsenen ergibt.

Der Umstand, dass die unmittelbar – kooperative „“häusliche“ Lebensgemeinschaft der Kinder/Erwachsenen nicht „alles“ ist, sondern das noch irgendetwas „dahintersteckt“, das „von außen“ in diese hineinwirkt, mag dem Kind zunächst an der Brüchigkeit und Lückenhaftigkeit der häuslichen Gemeinschaft selbst, in der die kindliche Lebenslage noch aufgeht, allmählich erfahrbar werden: Wenn z.B. die Erwachsenen „weg“ sind, so nicht immer nur im anderen Zimmer, sodass man sie rufen kann, sondern in regelmäßiger Folge in einem viel radikaleren Sinne „weg“, an einem ganz anderen Ort, der dem Kind noch nicht zugänglich und vorstellbar ist. Dabei bringen sie „von dort“ letztlich alles mit, von dem und mit dem „wir“ zu Hause leben, Nahrungsmittel für „alle“, Spielsachen für das Kind etc.. In der Tatsache, dass die Erwachsenen, indem sie nicht nur „hier“, sondern auch noch „woanders“, „draußen“ sein können, anders als das Kind fähig sind, „für uns“ zu sorgen, wird für das Kind einerseits die „Funktionalität“ der unfassbaren Überlegenheit der Erwachsenen anschaulich, andererseits aber muss sich für das Kind im Maße des Anwachsens seiner kooperativen Beiträge und Kompetenzen der Widerspruch seiner Ausgeschlossenheit von dem sich hier andeutenden über die Häuslichkeit hinausgehenden und diese tragenden Verfügungsrahmen immer mehr verschärfen.... (S.476ff)

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Page last modified on 16.04.2007 21:10 Uhr