Themenblatt - Unverdient und Systemkritik
Eine Kontroverse mit Herbert...
...am Beispiel der attac- Parole:"Eine andere Welt ist möglich“
Herbert: eine kurze Anmerkung
Dieser Spruch hat den Charakter einer Parole, bei dem es überhaupt nur wichtig zu sein scheint, dass er zum Ausdruck gebracht bzw. gesagt wird. Genau genommen ist er eigentlich trivial. Denn in der existierenden Welt wird in der Politik und Ökonomie permanent was geändert, nichts ist statisch. Unterstellt ist in dieser Parole, dass man eine Kritik an der existierenden Welt hat. Aber warum es diese Realität so gibt, damit will man sich gerade nicht mehr beschäftigen. Was man aber müsste, weil man nur dann weiß, was der möglichen Welt im Wege steht. Stattdessen wird darauf bestanden, dass diese Möglichkeit einer anderen Welt keine Unmöglichkeit ist. Hier wirkt im Grunde das gängige Sachzwangargument: Man lässt sich regelrecht davon beeindrucken wie alternativlos alles ist, was in der Realität abläuft. Und dies wird dann schlicht dementiert. Die Möglichkeit einer anderen Welt sei real wird behauptet. Es ist die Abwehr des Verdachts, wer etwas anderes will, sei ein Träumer. Man begibt sich damit quasi in die Pflicht nachzuweisen, dass das geht, was man sich so vorstellt. Die bessere Vorstellung nimmt Bezug auf die Realität. Es wird ein Plätzchen in der Realität gesucht wo nachweisbar ist, daß es auch anders geht. Man begibt sich also in die Pflicht nachzuweisen, dass die eigenen Ideale zur Realität passen, sich mit ihr vertragen, wobei die Realität gerade die ist an der man sich stört. Wichtig wäre doch gerade zu wissen warum das scheitert was man sich vorstellt. Die richtige Kritik der Realität. Damit wäre schon einiges gewonnen.
(Herbert)
um Kritik geht es uns nebenbei auch (zB. Eske Bockelmanns hervorragende Kritik der Geldlogik hier besonders Abschnitt 3 und 4).
Aber wir glauben nicht, dass die Welt darunter leidet, dass zu wenig kritisiert wird. Dass "es so nicht weitergehen kann" sagen viele Menschen. Es fehlen aber attraktive Ideen und Alternativen. Wir wollen uns hier vor allem auf den Paradigmenwechsel am Ende der Geldlogik konzentrieren und eher die soziale Phantasie befreien, als uns am alten (und "den anderen") abarbeiten.(siehe auch Impressum/Grundsätze)
(Uli)
Lieber Uli,
Du stellst fest, dass viele Menschen mit der Realität offensichtlich unzufrieden sind und machst dabei einen sofortigen Übergang zur Frage nach Alternativen, die differenziert auszugestalten wären. Dabei setzt du den Focus auf den Paradigmenwechsel am Ende der Geldlogik und die Befreiung der sozialen Phantasien. Dabei habe ich erhebliche Bedenken:
In beiden Sachverhalten ist der Grund für die Unzufriedenheit negativ bestimmt. Es fehlt an beidem, und daraus leitest du praktisch die entsprechende, notwendige Ausformulierung ab. Dabei weist Du ausdrücklich die Kritik ( Abarbeitung ) am Alten zurück, vermutlich wegen der bisherigen Erfolglosigkeit . Vielleicht liegt ja diese Erfolglosigkeit an der Qualität der Kritik, die deswegen zu überprüfen wäre.) Die Leute sollen also explizit nicht mehr wissen, warum es Ihnen schlecht geht, sondern möglichst unmittelbar eine praktische Lösung aus ihrem Dilemma präsentiert bekommen . ( Eine „konstruktive Kritik“, wie sie aktuell von den Oberen und ihrem Ausbildungswesen immer wieder gefordert wird ). Die Ausgestaltung dieses negativen Fehlgrundes ist meines Erachtens verharmlosend und falsch. Der Grund wäre positiv zu bestimmen. Warum geht es den Menschen in diesem System so kontinuierlich schlecht? Nicht weil es ihnen an etwas fehlt, sondern weil sie permanent gute Gründe benennen, dabei mitzumachen. Auf die müsste man also erst einmal eingehen. Hier gönnen sie sich den Standpunkt des Realisten und distanzieren sich von jeglichem Idealismus, weil sie nun mal in dieser Welt zurechtkommen müssen und deswegen auch nur Gründe akzeptieren, um praktisch in der alltäglichen Lebenssituation zurechtzukommen. Alles andere zählt für sie letztlich nicht. Deswegen stellt sich die Aufgabe der Präsentation einer Alternative nicht, weil sie von Anfang an auf eine Frage des besseren Zurechtkommens in diesem System ausgerichtet ist und darauf hin überprüft wird. Die Erklärung des Grundes, weshalb es ihnen in diesem System schlecht geht, ist meines Erachtens gerade der Auftakt für eine bessere Welt. Wenn sie wissen, was ihnen weshalb in dieser Realität nicht gut tut, liefert ihnen gerade die Grundlage für eine dann real wirklich mögliche Veränderung .
(Herbert)
ich möchte gar nicht mit dir streiten. Kritik macht mir auch Spaß und davon steht bereits genug hier. Mir ist aber die Zeit zu schade, immer nur andere Positionen geistreich zu kritisieren und entsprechende Kritik zu lesen. Davon gibt's Kilometer an Literatur und genügend Foren, in denen das möglich ist. Ich vermute, dass genau deswegen die "Linken" in der Öffentlichkeit so uninteresant sind. Es gibt keinen Anspruch auf Aufmerksamkeit, auch dann nicht, wenn man behauptet und mit dem Gestus* daherkommt, die ultimative Wahrheit zu kennen. Und ganz unangenehm berührt mich, wenn sich Texte pädagodisch über "die Leute" stellen. Woher nimmst du die von dir behauptete Qualifikation, "die Leute" aufklären zu können, "was ihnen weshalb ... nicht gut tut?"
*"Ein Gestus bezeichnet die Beziehungen von Menschen zueinander." (Brecht, Über den Beruf des Schauspielers, Frankfurt/M. 1970, S.92)''
(Uli)
Lieber Uli,
es geht mir um eine möglichst objektive Klärung der Inhalte von Gedanken und ggf. deren Kritik als m.E. notwendige Voraussetzung jeglicher daraus folgender Praxis. Die Person, die diese Gedanken zum Ausdruck bringt, weil sie sich diese zueigen gemacht hat, ist dabei erstmal in all ihren Eigenschaften völlig unberührt. Deswegen wundert es mich, warum aus meiner Kritik eine pädagogische Arroganz über die Person abgeleitet wird ( vor allem auch noch ohne Bezug zu nehmen auf den Inhalt meiner Krtik ). Wer Marx' Spruch: "die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kömmt darauf an sie zu verändern" dazu verwendet, sich von Kritik primär zu verabschieden um das Gewicht auf die Praxis zu legen, demonstriert sich selbst gerade wiederum als der von Marx kritisierte Philosoph. Marx wollte damit auf den interpretatorischen Charakter und die deswegen systemerhaltende Kritik hinweisen und nicht selbst eine objektive Kritik zugunsten einer wie auch immer "revolutionär" verlaufenden Praxis relativieren. Diese Tendenz scheint mir aber in diesem Forum vorzuliegen. Deswegen stelle ich meine Kommentare dazu in diesem Zusammenhang, ohne beleidigt zu sein, ab sofort ein.
(Herbert)
|